Die Saison 2012/2013 läuft auch in Marburg auf die Halbzeit hin. Am 01.12. hatte das Familienstück zur Weihnachtszeit „Des Kaisers neue Kleider" nach Hans Christian Andersen in einer Adaption von Anette Pfisterer und Fabian Sattler Premiere. Schon im jugendlichen Alter werden die Kinder auf Modemarken getrimmt und oft wird der Satz zitiert:
„Ich habe nichts zum Anziehen!"
Deshalb ist der Kaiser in Marburg also nicht alt und arrogant, sondern er ist jung und steht vor den Problemen der heutigen Jungend, die nichts zum Anziehen hat, aber auf jeden Fall mit hohen Ansprüchen der Mitmenschen konfrontiert wird. Eine tiefsinnige und amüsante Version des Andersen Märchen flittert also aktuell über die Bühne des Hessischen Landestheaters Marburg. Mehr als 10000 Kinder, Jugendliche und Eltern warten schon auf dieses Stück, denn nahezu alle Vorstellungen sind ausverkauft.
Schon der Start in die Saison 2012/2013 präsentierte den Zuschauern einen anderen Blick auf vermeintlich Bekanntes.
Die Dreigroschenoper von Berthold Brecht in der Inszenierung des Intendanten Matthias Faltz steckte eine Frau (Oda Zuschneid) in den Anzug des Gangsterbosses Macheath, genannt Mackie Messer. Zuschneid verlieh dem Gangsterboss naturgemäß einen feminin, subtilen Charakter und löste die Zuschauer vom üblichen Klischee der maskulinen Gewalt, sicherlich ganz im Sinne des Verfremdungskünstlers Berthold Brecht. Das gesamte Ensemble lieferte eine großartige Aufführung ab.
Zwischen diesen beiden Spannungspolen liegen Stücke-Klassiker wie „Macbeth" von Shakespeare in der Regie von Frank Panhans, die Uraufführung von „Naked Short Selling – Leerverkauf ohne Deckung" von Hans-Jörg Betschart oder „Mamma medea" von Tom Lanoye in der Regie von Andre Rößler. Ein Ausflug an das Hessische Landestheater auch im neuen Jahr, also in der zweiten Hälfte der Spielzeit lohnt sich auf jeden Fall angesichts der breiten Palette, die das Haus bietet. Die „Oberhessische Provinz" ist sehr aktiv, wie auch die aktuellen Interviews der Intendanten von Gießen, Frau Catherine Milville und von Marburg Matthias Faltz in der November-Ausgabe der Deutschen Bühne belegen.