Die stellvertretenden Vorsitzenden Henry Klüglich und Ronny Pühn unseres Mitglieds "caroline neuber des Theaters Zwickau e.V." haben uns gebeten, den Offenen Brief des Generalintendanten Roland May des Theaters Plauen-Zwickau zu veröffentlichen. Sie werden hierzu in nächster Zeit Stellung nehmen.
Der Brief im Wortlaut:
Sehr geehrte Frau Grütters,
sehr geehrte Frau Dr. Stange,
sehr geehrter Herr Dr. Scheurer,
sehr geehrter Herr Dr. Lenk,
sehr geehrte Frau Dr. Findeiß,
sehr geehrter Herr Oberdorfer,
sehr geehrte Abgeordnete der Stadträte in Plauen und Zwickau, der Kreise Zwickau Land und des Vogtlandes, des sächsischen Landtages und des Bundestages,
während in den Feuilletons der Republik an Hand eines offensichtlich geplanten Paradigmenwechsels an der Berliner Volksbühne vor dem Untergang des Ensembletheaters gewarnt wird, vollzieht sich im Osten der Republik ein schleichender Prozess zur In-Frage-Stellung von Mehrspartentheatern. Diese Gebilde, heute flexibel, schnell, spartenübergreifend und identitätsbewahrend arbeitend, geraten offensichtlich immer mehr in den Focus von Kämmereien und Stadtparlamenten. Obschon eigentlich durch den Vertrag zur Deutschen Einheit und der Aufnahme als immaterielles Kulturerbe in die Liste der UNESCO geschützt, werfen die geplanten und bereits beschlossenen Szenarien zwischen Ostsee und Sachsen ein dunkles Licht auf das Kulturverständnis einer der reichsten Nationen der Erde. 25 Jahre nach der deutschen Einheit ist es nun im Zuge der Neoliberalisierung offenbar so weit, den öffentlichen Raum in Ostdeutschland allmählich dem Marktgeschehen preiszugeben. Die letzten Orte demokratischer Selbstverständigung werden, wie aktuell in Rostock, Dessau und nun auch in Plauen/Zwickau mit Nebelbegriffen wie Strukturveränderung und funktionelle Sparten ausgehöhlt. Selbst aktuelle Umweg–Rentabilitäts-studien anerkannter Institutionen werden zur Seite geschoben wenn es gilt, Personal abzubauen, Sparten einzudampfen oder gänzlich abzuschaffen.
Das Theater Plauen-Zwickau befindet sich im 15. Jahr seiner erfolgreichen Fusion in einer existentiellen Krise. Ständig steigende Einnahmen (2014: 100 000,- € mehr gegenüber 2013) können schon seit Jahren nicht die Tarifaufwüchse für das Personal und die Sachkostensteigerungen auffangen, so dass die Gesellschafter der Städte Zwickau und Plauen wie fast überall in Ostdeutschland mit Haustarifverträgen hantieren. Die Mitarbeiter verzichten dabei auf Gehaltsbestandteile und erhalten als Ausgleich freie Tage, die zu Schließzeiten des Theaters führen. Für das Jahr 2015 planen die Gesellschafter nun den Ausstieg aus den Haustarifverträgen. Ab dem Jahre 2018 stehen dem Theater jedoch mehr als 3 Mio. € weniger an Zuwendungen zu Verfügung, so dass das Gespenst von Personal- bzw. Spartenabbau nun auch durch Westsachsen geht. Bis Ende Mai 2015 soll die Geschäftsführung ein Szenario vorlegen, wie sich die Theatergesellschaft in den kommenden Jahren aufstellen wird. Für Irritationen sorgen dabei die ungeklärten Fragen möglicher Abfindungszahlungen bei eventuellen betriebsbedingten Kündigungen und die für die Jahre 2015-2017 vorgesehene Zwischenfinanzierung des Theaters.
In einem schon im Januar 2015 vorgelegten vorläufigen Strukturpapier ist den Gesellschaftern von der Geschäftsführung signalisiert worden, dass zur Weiterführung des Theaters Plauen-Zwickau als repräsentatives Vier-Spartentheater des Kulturraumes Zwickauer Land/Vogtland ein Zuschuss-Bedarf von mindestens 17,3 Mio. € im Flächentarifvertrag nötig wäre. Von diesen Zuschüssen sind wir nach aktueller Beschlusslage beider Städte weit entfernt. Die Evaluierung einer künftigen Theaterstruktur wird ab Juni 2015 auf breiter Ebene stattfinden. Vertreter des Landes Sachsen, der Kreise und der beiden Trägerstädte sind nun aufgerufen, an der Erhaltung des Theaters Plauen-Zwickau als bedeutendstem Kulturstandort im Kulturraum mitzuwirken.
Im Vorfeld dieser nicht leichten Aufgabenstellung möchte ich heute an Sie und durch die gewählte Form des offenen Briefes an alle Verantwortungsträger und Bürger des Kulturraums den Appell richten, sich nachdrücklich mit Sachverstand und Verantwortungsbewusstsein für die Zukunft des Theaters Plauen-Zwickau einzubringen. Einige Anregungen und Fragen erlaube ich mir, Ihnen mit diesen Zeilen heute zu unterbreiten.
In der derzeit nicht einfachen finanziellen Situation zum Beispiel in der Stadt Plauen werden die Theatermitarbeiter und die städtischen Angestellten unterschiedlich behandelt. Mit dem Verweis auf eine nicht überdurchschnittliche Besetzung der Verwaltung pro Einwohner in Sachsen wird die Vergütung der Angestellten nicht in die aktuellen Sparpläne mit einbezogen und weiter Flächentarif bezahlt. Das Theater Plauen-Zwickau hat pro Einwohner im Kulturraum eine Personalbesetzung, die nicht als luxuriös zu betrachten ist. Warum müssen hier die Theatermitarbeiter seit Jahren auf die gleiche Anerkennung ihrer Arbeit verzichten wie die städtischen Angestellten?
Eine Theaterfusion wird auch als Theaterehe bezeichnet. Der neue Grundlagenvertrag beinhaltet einen neuen Verteilungsschlüssel. Zwickau trägt künftig 60 % und Plauen 40 % der Zuschüsse. Ist es nicht denkbar, dass in offensichtlichen finanziellen Notlagen des einen Gesellschafters der andere Gesellschafter in umfassenderer Solidarität und zeitlicher Begrenzung für momentan nicht zu leistende Zuschüsse einsteht?
Die Kreise Zwickauer Land und der Vogtlandkreis finanzieren das Theater Plauen-Zwickau zu 12,52 % durch die Kulturraumumlage direkt. Der Anteil der Besucher aus den Landkreisen beträgt jedoch nach aktuellen Umfragen 19,2 %. Mindestens dieser Differenzbetrag von jährlich 960 167,- € sollte unverzüglich die Debatten in beiden Kreistagen bestimmen. Die Kreise sollten, wie in anderen Kulturräumen längst gängige Praxis, als zukünftige Gesellschafter auch finanzielle Verantwortung übernehmen.
In einem Gutachten aus dem Jahre 2007 im Auftrag der Kulturstiftung des Freistaates Sachsen empfehlen die Autoren, die Förderung für das König Albert Theater Bad Elster im Zusammenhang mit der Gastspieltätigkeit des Theaters Plauen-Zwickau zu gewähren. Dies ist bis heute nicht geschehen. Das große Gastspielrepertoire wird in Bad Elster vornehmlich durch die Landesbühnen Sachsen absolviert. Das Land Sachsen als Gesellschafter sollte dafür Sorge tragen, dass die Landesbühnen nur in Kulturräumen ohne kommunal geförderte Theater auftreten. Auch sollte die unsinnige Doppelfinanzierung der Kultur im Vogtland endlich beendet werden. Im o.g. Gutachten findet sich auch der Vorschlag eines Orchesterabbaus, der jedoch bei einer Besetzung von gegenwärtig ca. 100 Musikerstellen (die Vogtlandphilharmonie ist hier mit 50 % betrachtet) in einem Kulturraum für ca. 500 000 Einwohner im Vergleich zu anderen Kulturräumen nicht einleuchten will.
Das sächsische Kulturraumgesetz ist in seiner Einzigartigkeit in Deutschland nicht hoch genug zu schätzen. Zu konstatieren ist jedoch, dass es durch die zu befragende Umverteilung von Zuschüssen durch das Land Sachsen an die sächsischen Kommunen zu sich häufenden Finanzierungsproblemen besonders bei personalintensiven Kultureinrichtungen wie z. B. Mehrspartentheatern kommt. Sicher ist keine kulturelle Institution ausfinanzierbar. Das Land Sachsen sollte sich jedoch im Rahmen einer Exzellenzförderung besonders der sächsischen Mehrspartentheater im ländlichen Raum annehmen. Mindeststandards bei festem Personal zur Realisierung von großen romantischen Opern im Musiktheater und dem klassischen deutschen Repertoire im Schauspiel sollten so erhalten bleiben, um den repräsentativen Charakter und die überregionale Ausstrahlungskraft der Einrichtungen zu bewahren.
Der Bund fördert durch den Fond Darstellende Künste herausragende Projekte, die unter anderem von gesamtstaatlicher Bedeutung sind und zur künstlerischen Weiterentwicklung der Darstellenden Künste beitragen. Die Förderung eines Projektes stellt regelmäßig einen Höhepunkt für ein Mehrspartentheater dar. Ist es jedoch nicht auch denkbar, dass der Bund sich am alltäglichen Spielplan der Theater beteiligt? Gegenwartsstücke und Inszenierungen, die sich speziell zum Beispiel mit der europäischen Integration, mit Asyl- und Migrationsfragen, mit Umweltthemen beschäftigen, sollten ohne langwierige Antragstellung durch normierte Zuwendungen besonders gefördert werden. Es ist besonders bei Mehrspartentheatern in Ostdeutschland immer wieder eine Herausforderung, sich zu Gunsten zuspitzender Einnahmesituationen einer zusätzlichen Operette o. ä. aus Etatgründen zu verweigern. Hier könnte so eine Unterstützung für den eigentlichen Bildungsauftrag des Theaters sehr hilfreich sein.
Sehr geehrte Damen und Herren, dies sind einige Vorschläge und Anregungen, die ich Ihnen im Kontext der zukünftigen Finanzierung von Mehrspartentheatern, hier exemplarisch an Hand des Theaters Plauen-Zwickau, unterbreiten möchte. Lassen Sie uns in einen großen Dialog treten, in dem vielleicht noch weitreichendere und interessantere Vorschläge das Licht der Welt erblicken, auch wenn sie aktuellen Zuständigkeiten widersprechen sollten.
Mit freundlichen Grüßen
Roland May
Generalintendant Theater Plauen-Zwickau