Auf Initiative des Görlitzer Theater- und Musikvereins verabschiedeten die Vorsitzenden der Theatervereine bei der Muthea-Jahrestagung in Braunschweig einen Brief an Staatsminister Neumann und erhielten von ihm einen Antwortbrief, aus dem Gedanken hervorgehen, die uns sehr am Herzen liegen. Beide Briefe können hier online im Wortlaut gelesen werden:
An den Staatsminister Bernd Neumann
Beauftragter der Bundesregierung für Kultur und Medien
Sehr geehrter Herr Staatsminister Neumann,
während des Muthea - Jahrestreffens in Braunschweig vom 13. - 15. Mai 2011, an dem Vertreter von Theaterfördergesellschaften aus 14 Bundesländern teilnahmen, verfolgten wir Berichte zur Situation an deutschen Theatern und blicken voller Sorge in die Zukunft. Wir möchten Ihnen anbieten, an dem Prozess, unsere kulturelle Zukunft neu zu gestalten, mitzuwirken.
Wir alle wissen, dass die deutsche Theaterlandschaft das Resultat einer über 400 Jahre dauernden kulturellen Entwicklung ist. Eines der ersten Theater mit einem festen Ensemble entstand in Wolfenbüttel, vor den Toren Braunschweigs im Jahr 1592. Welfenherzogs Heinrich Julius bezahlte die Künstler und band sie fest an seinen Hof. Diese Entwicklung setzte sich rasch fort und sichtbare Zeugen in Form prächtiger Theatergebäude, von den besten Architekten ihrer Epochen erdacht, sind erhalten oder mit Sorgfalt denkmalpflegerisch bewahrt worden. In diesen oft echten Kleinoden der Weltarchitektur werden Weltliteratur und das kulturelle Erbe der Musik mit Leben erfüllt und einem breiten Publikum vorgestellt, neu gedeutet und diskutiert. Deutsche Theater waren das Ziel von Künstlern aus allen Ländern und sind dies auch heute noch. Die Zusammenarbeit und Integration von Künstlern ist ein über lange Zeiträume gewachsener Prozess, der einmalig ist und über alle politischen Grenzen hinweg wirkt.
Dieses gewichtige Erbe deutscher Kultur ist massiv bedroht. Auseinandersetzungen und Geldnot in der Zeit der Kleinstaaterei und zwei verheerende Weltkriege haben die deutschen Theater zwar geschwächt, zerstört, verändert, aber aus allen Unwegsamkeiten sind sie gestärkt hervorgegangen.
Heute wird ein Bewahren und Erhalten durch rigide Sparmaßnahmen behindert. Verehrter Herr Minister, Ihr Credo: „Kunst und Kultur sind der Zukunftsmotor unserer Gesellschaft" begrüßen wir ebenso wie Ihre Ausführungen: „Wenn unsere Gesellschaft innovativ, kreativ und aufgeschlossen bleiben will, können wir auf Anregungen und Denkanstöße durch die Kultur und die Künste nicht verzichten."
In Zeiten grundlegender Veränderungen von Lebensperspektiven bedürfen die Menschen der kulturellen Ansprache. Dies ist nicht nur nützlich für den Wirtschaftsstandort, sondern entwickelt die Kreativität des Einzelnen und stärkt seine mentalen und seelischen Kräfte. Und unsere Kinder benötigen die Kultur für ihr Heranwachsen wie die Luft und das Licht.
In allen Bundesländern sind Wirtschaftswissenschaftler und Politiker der Meinung, dass im Kulturbereich gespart werden kann, sei es bei der oft dringend notwendigen Sanierung, bei den Subventionen oder der Bezahlung von Künstlern.
Mit der reichen Kulturlandschaft in Deutschland haben wir dank der Vorleistungen von Generationen ein Erbe übernommen und es ist unser aller Pflicht, es an die weiterzugeben, die nach uns kommen.
Wir wissen, dass Effizienz in den Kultureinrichtungen, neue Wege der Interpretation und Kooperationen notwendig sind. Aber sie müssen der obersten Aufgabe dienen, die kulturelle Bildung mit hoher Qualität zu sichern und den Erkenntnisprozess der Menschen vor Ort zu fördern.
Es scheint uns hilfreich, wenn Sie für diesen Prozess Denkanstöße geben und bundesweit eine große Diskussion über den unabdingbaren Nutzen von Kunst und Kultur für jeden Einzelnen in Gang bringen.
Es darf kein Theater, keine Sparte eines Hauses oder kein Orchester abgeschafft werden, bevor nicht alle Möglichkeiten erörtert wurden, ob diese Veränderungen aufzuhalten oder sinnvoll sind.
Wir als Vertreter der deutschen Theaterfördergesellschaften bitten Sie darum, neue Wege aufzuzeigen, unser kulturelles Erbe zu schützen und zu bewahren. Wir versichern, dass wir Sie bei der öffentlichen Wahrnehmung dieses Anliegens unterstützen werden.
Mit freundlichen Grüßen
Dietrich Fischer
1. Vorsitzender
Antwortschreiben vom 14. Juli 2011
Sehr geehrter Herr Fischer,
vielen Dank für Ihr Schreiben von Anfang Juni dieses Jahres, mit dem Sie mich bitten, die Diskussion um den unabdingbaren Nutzen von Kunst und Kultur für jeden Einzelnen in Gang zu bringen und neue Wege für die Bewahrung des kulturellen Erbes "Theater" aufzuzeigen.
Sie werden wahrscheinlich verfolgt haben, dass ich mich bei verschiedenen Gelegenheiten dezidiert für den Erhalt der reichen Theater- und Orchesterlandschaft eingesetzt habe. Denn natürlich verfolge auch ich die Entwicklung bei den Bühnen in den Städten und Gemeinden mit großer Sorge. Für den Bund bleibt ein konkretes Engagement gegen Kürzungen in den Ländern und Kommunen allerdings eine schwierige Gratwanderung. Denn wenn ich auch nicht aufhören werde, die Bedeutung der Kultureinrichtungen für die gesellschaftliche Entwicklung, für Bildung und sozialen Zusammenhalt öffentlich hervorzuheben, so kann ich mich nciht in konkrete Entscheidungen z.B. der Theaterträger einmischen.
Ich danke Ihnen aber für Ihr Angebot der Unterstützung und ich weiß es auch zu schätzen, dass die Musik- und Theater-Fördergesellscahften bereits heute einen gewichtigen Beitrag zur Sicherung der Bühnen und Orchester leisten. Ich würde es als sehr hilfreich empfinden, wenn Sie das Netzwerk Ihrer Bundesvereinigung in diesem Sinne noch mehr für den Informationsaustausch, u.a. über Fördermodelle, Strukturüberlegungne oder besondere Initiativen nutzen könnten. Mein Anliegen wäre es, dass eine möglichst breite Diskussion um den Wert von Kunst und Kultur, um die künftige Gestaltung der Kulturlandschaft in Gang kommt.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Bernd Neumann